Hage, Hilgenriedersiel 12.07.2010 von
Thomas Sävert
Umgebungskarte
(Auszug aus Top200, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)
Zeitpunkt: gegen 14:30 Uhr MESZ. Dazu ein Augenzeuge: "Wir sind die Straße von dem Deich Richtung Süden (Anm. Richtung Hilgenriedersiel, siehe Kreuz in obiger Karte) runtergegangen. Das Unwetter ist ungefähr um 15:00 Uhr mittags erschienen. Der Wind an sich hatte kaum gedreht und kam beständig aus Norden, was man an den Windkraftanlagen erkennen konnte. Das sehr dunkle Unwetter kam schnell südlich herangezogen. Es hatte dermaßen ungeheure Energien, dass es uns sogar überraschte. Es war in weniger als 2 Minuten von Hage Umgebung in Hilgenriedersiel angelangt. Man konnte die Böenfront erkennen, ebenso die mächtigen Aufwinde. Diese waren sogar so stark, dass wiederum die Wolkenfront geradezu zu uns runterkam als wir Richtung Süden den Deich hinuntergingen. Es ging alles sehr schnell. Richtung Südosten entstand, kurz bevor die Böenfront über uns war, eine Windhose. Diese hatte auch schon den Weg vor uns gekreuzt, bloß ohne Bodenkontakt oder ohne Sicht des Rüssels. Die Wolkenfront drehte sich an der Stelle ganz schnell und es entwickelte sich ein Schlauch. Erst dann kamen die Orkanböen. Mein Bruder und ich liefen in gebückter Haltung und mit kurzen Schritten dann nach Hilgenriedersiel, kaum glaubend, was wir gesehen hatten. Während wir liefen, sahen wir nochmal zurück, um uns zu vergewissern, ob dies wirklich echt war und sahen, wie die Windhose mehrmals "hüpfte" und dann wieder Bodenkontakt hatte. Als wir zu Hause waren, hatte ich mich sofort umgezogen, da ich wegen den Platzregen durchgenässt war. Da ich Feuerwehrmann bin, sah ich meine Pflicht, sofort meine Feuerwehrsachen anzuziehen und ins Freie zu laufen, als das Unwetter wieder aufgehört hatte. Es dauerte nicht mal 10 Minuten. Und die Zerstörung war unglaublich! Unser Nachbar hatte einen sehr großen Schuppen, in den noch kurz vor dem Unwetter KINDER! von den Feriengästen drinnen gespielt hatten! Dieser Schuppen lag total zerstört 30 Meter östlich im Feld hinein. Es lagen überall Ziegelsteine herum. Viele Dächer wurden größtenteils abgedeckt. Und dann, als ich von unserem Hof auf die Straße ging und gen Süden schaute, sah ich die enorme Zerstörung. Auf der ganzen Allee von Hilgenriedersiel bis zur Kreuzung Theener Gasthof, auf diesen 450 Metern war jeder dritte Baum umgefallen, so gut wie jeder Baum hatte eine halbierte oder fast gar keine Krone mehr. Jeder Baum hatte ein Verlust an Ästen. Autos stauten sich an der Straße, weil die Straße durch die Bäume versperrt war. Inzwischen versuchte ich mit anderen Freiwilligen die Straße an manchen Stellen wenigstens zur Hälfte leer zu räumen. Außerdem versuchte ich mehrmals den Notruf anzurufen, weil mein Meldeempfänger keine Töne von sich gab, also kein Einsatz verlautet wurde. Später als ich doch durchkam, hatte mir die Notrufzentrale berichtet, dass bei ihnen die Hölle los sei. Aus dem ganzen Kreis Aurich würden pausenlos Meldungen hineinkommen. Der Meldeempfänger ging erst 45 Minuten später! Im Laufe des Tages hatten wir mehrere Einsätze, z. B. bei einem Haus, dessen vorderste Wand eingestürzt war oder Beseitigung von umgestürzten Bäumen auf den Straßen. Und während wir fuhren, fiel mir auf, dass es wirklich Verwüstungsschneisen auf offenem Feld gab, während paar Meter weiter z.B. Bäume nur ein paar verlorene Äste zu beklagen hatten. Meine Eltern waren zu der Zeit, bevor das Unwetter bei uns vorbeizog, in Hage. Sie selbst sahen den Tornado ganz nah, den ich vom Weiten aus Hilgenriedersiel gesehen hatte. Meine Eltern und natürlich viele andere berichteten mir, wie dort Sachen wie Spielzeuge und Kleidung von den Läden in Hage durch die Straßen geschleudert wurden. In Hage gab es selbst in Leeseiten der Winde starke Zerstörungen: große Bäume waren umgestürzt, manchen Häusern fehlten die Wände, Dächer wurden abgedeckt usw.. Zwischen Berumerfehn und Großheide gab es mehrere Waldstücke, die Verwüstungsschneisen mitten im Wald aufwiesen, während die anderen Bäume rundherum kaum Schäden hatten. Und natürlich, die Bäume hatten viel Laub. Und trotzdem: es gab schon öfters Unwetter mit sehr starken Böenfronten im Sommer aber da waren die Schäden minimal. Ich wohne zwar erst 4 Jahre in Ostfriesland aber ich hatte dies von den Ostfriesen gehört, die schon ihr Leben lang in Ostfriesland wohnen. Manche von den Befragten sind mehr als 80 Jahre alt gewesen und berichteten mir derartiges noch nie erlebt zu haben!"

Aus dem Bericht Tornado über Hage der Feuerwehr Hage: "Besonders getroffen hat es in Hage die Strassen "Am Bürgerpark", "Weidenweg" und "Hagermarscher Landstrasse". Dutzende Dächer wurden abgedeckt, hunderte Bäume stürzten um oder wurden in Sekunden entwurzelt. Im "Weidenweg" wurde ein Anwohner durch umherfliegendes Glas und Trümmerteile in seinem Haus schwer verletzt."

Hage 1
Straße in Hilgenriedersiel, Blickrichtung Nordnordwest
Hage 2
Schaden an einem nach Süden gerichteten Dach
Hage 3
Straße in Hilgenriedersiel, Blickrichtung Südsüdost
Hage 4
Hage 5
Hage 6
Hage 7
Hage 8
Hage 9
Hage 10
Hage 11
Hage 12
Hage 13
Hage 14
zwischen den beiden Deichen
Hage 14a
Markiert sind hier niedergedrückte und geborstene Getreidehalme durch die Windhose, hier wurde sie beobachtet.
Fotos © by Arne-Erik Noel


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