Ostheim 05.06.2016 von
Thomas Sävert
Umgebungskarte
Karte: OpenStreetMap / Lizenz: ODbL. Kartierung: Tornadoliste Deutschland.
Zeitpunkt: gegen 17:25 bis 17:30 Uhr MESZ. Aus einer Meldung der Wetterauer Zeitung vom 07.06.2016: "Tornado lässt Dächer fliegen - Butzbach (jw). Fünf Minuten eher und das Blechdach wäre vor den Füßen von Dagmar und Achim Heckenmüller gelandet. Die beiden 62-Jährigen waren vor dem Regen ins Haus geflüchtet, als in ihrem Garten ein seltsames "Fluggerät" landete. Ein Tornado hat am Sonntag zwei Wellblechdächer der Kelterei Müller in Ostheim abgedeckt. "Wir haben gerade im Garten Kaffee getrunken", sagt Dagmar Heckenmüller. Gegen 17.45 Uhr regnete und donnerte es. Sie und ihr Mann Achim zogen sich in ihr Haus unweit der Ostheimer Kirche zurück. Zum Glück. "Fünf Minuten später hörte ich ein Geräusch, als ob man mit einem Blech wackelt." Ihr Mann sah das Dach anfliegen. "Es wurde dunkel, dann tat es einen Schlag." Gestern bestätigte der Deutsche Wetterdienst: Ein Tornado zog über den Butzbacher Stadtteil. Er hatte einen Durchmesser von 100 Metern, bewegte sich mit 20 bis 30 Kilometern pro Stunde wenige Minuten auf dem Boden – das Kriterium, das eine Windhose zum Tornado macht. Allerdings handelte es sich »nur« um einen Tornado der Stufe F 0 (bis 117 km/h) oder F 1; Meteorologen kennen sieben Tornadostufen. "Das war nicht so spektakulär", sagt Tina Müller-Diehl von der Kelterei Müller. Die Wellblechdächer der Kläranlage und des Bürotrakts wurden fortgerissen. Teile landeten wenige Meter weiter im Hof oder in einem Baum, das größte Teil flog über die Nachbarhäuser und landete bei Familie Heckenmüller im Garten. Auch in der Nachbarschaft wurden einige Dachziegeln abgedeckt. "Die schwarzen und grauen Leergutkisten sind umgefallen, die orangenen daneben nicht", zeigt Müller-Diehl auf eine Ecke des Betriebsgeländes. Es war nur ein schmaler Korridor, in dem sich der Tornado bewegte. In den angrenzenden Feldern wurde die Frucht an einigen Stellen plattgedrückt. Müller-Diehl hat ihre Versicherung benachrichtigt, der Dachdecker war schon da. Die Schadenshöhe weiß sie noch nicht. Heckenmüller schätzt ihren Schaden auf ein paar Tausend Euro. Gartenhaus und Freisitz wurden beschädigt. "Und meine Hortensien sehen jetzt nicht mehr wirklich gut aus." - "Wellblechdächer bieten eine gute Angriffsfläche", sagt Daniel Rüd aus Wölfersheim. Er betreibt eine eigene Wetter-Homepage, arbeitet als IT-Dienstleister für einen Schweizer Wetterdienst und sammelt Daten für die Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland. 30 bis 60 Tornados würden pro Jahr in Deutschland beobachtet. Dass sie zunehmen, kann Rüd nicht bestätigen. "Es hat halt jeder ein Smartphone und filmt die Tornados.""

Dazu der Bericht von Daniel Rüd zur obigen Karte: "Ich konnte die Funnelcloud von der Entstehung bis zur Auflösung hin beobachten und habe alles gezeitraffert. Das Video ist hier zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=PBQyT0Qxtaw. Der Tornado war zeitweise ca. zu 2/3 auskondensiert und hat mehrmals kurz aufgesetzt. Auf einem Feld knapp SO von Ostheim bei Butzbach war der erste Bodenkontakt auf einem verdreht umgefegten Feld sichtbar, der vielleicht für 10-12m angehalten hat. Danach war der Bodenkontakt kurz weg, aber etwa 30m NW vom ersten Aufsetzer wieder im F0 Bereich da. Erkennbar war das an einem Rübenfeld, bei dem in einem 5-7m breiten Korridor alle Blätter in die andere Richtung gedreht wurden. Nach ungefähr 500m wurde dann eine Kelterei (Müller) getroffen, bei der die höchsten Geschwindigkeiten erreicht wurden. Dort wurde erst ein Dach leicht beschädigt und ungefähr 20m weiter ein zweites Blechstück, das ungefähr 8m lang und 3m breit war, komplett abgehoben und über eine 15m hohe Baumreihe drüber knapp 200m Richtung Ortszentrum verfrachtet, wo es in einem Garten neben der Kirche landete. Dieser Schaden fällt dann auch in den F1 Bereich. Da auf der Verfrachtungsbahn keine weiteren Schäden aufzufinden waren und das Dach sehr schnell sehr hoch gehoben wurde, gehen wir außerdem davon aus, dass direkt nach dem Anheben der Bodenkontakt wieder verloren ging und das Dach einfach eine Weile in der Zirkulation gefangen war. Danach war nichts mehr festzustellen, was auf erneuten Bodenkontakt hinweisen würde.
Dass es ein Tornado war, ist ja bereits geklärt. Erster Bodenkontakt südlich der Kelterei Müller im Feld, dazu gibt es auch Augenzeugen, die den Wirbel dort gesehen haben. Die Kelterei befindet sich am südlichen Ostrand von Butzbach-Ostheim. Direkt am ersten Gebäude wurde eine Dachluke herausgerissen. Zugrichtung war Nord-Nordwest, auf jeden Fall sehr kleinräumig, maximal 20m Breite würde ich schätzen, da im Hof ein paar Stapel mit Kisten umgeworfen wurden, aber links und rechts der Zugbahn nichts zu erkennen war - obwohl dort ebenfalls Kisten standen bzw. ein Zelt. Danach Beschädigung des Wellblech-Daches, Verfrachtung einmal linksseitig neben die Zugbahn (das war schon wieder weggeräumt) und einmal besagte 180m weiter über einige Häuser hinweg mitten in einen Garten. Das fliegende Dach wurde von einem Augenzeugen gesehen und als in der Luft umherkreisend beschrieben, ehe es dann abrupt im Garten des Nachbarn landete. Weiträumig im Ort verstreut waren Styroporplatten, die als Dämmung unterhalb das Wellblechdaches angebracht waren. Diese habe ich (mit teilweise gut einem Meter Durchmesser) noch über 700m weiter in NNW-Richtung nördlich der K17 gefunden. Wo der Wirbel sich aufgelöst hat, ließ sich nicht feststellen, war mit Sicherheit im weiteren Verlauf nicht mehr sonderlich stark."

Die folgenden Fotos wurden von Daniel Rüd aufgenommen. Das erste ist eine Aufnahme mit einer Webcam in Wölfersheim, danach folgen Fotos der Schäden in Ostheim.

Wölfersheim 1
Ostheim Schäden 1
Ostheim Schäden 2
Ostheim Schäden 3
Ostheim Schäden 4
Ostheim Schäden 5
© by Daniel Rüd
Die folgenden Fotos wuden von der Kelterei Müller zur Verfügung gestellt, deren Dach stark beschädigt wurde:

Ostheim Schäden Müller 1
Ostheim Schäden Müller 2
Ostheim Schäden Müller 3
Ostheim Schäden Müller 4
© by Kelterei Müller
Die folgenden Fotos wurden in Butzbach aufgenommen: "Ich konnte einen gut ausgeprägten Funnel beobachten während eines Gewitters, Blickrichtung von Butzbach nach Ober Mörlen (südöstlich), vermutlich in Höhe der Raststätte Wetterau an der A5. Beginn de Entwickung: ca.17:30 Uhr, Dauer: Etwa 10 Minuten, größte Ausdehnung: Kurzfristig 3/4 Wolke Erde (gut zu erkennen bei dem kontrastverstärkten Bild). Bodenkontakt: Konnte ich nicht erkennen. Zugrichtung: Südwest."

Butzbach 11
Butzbach 12
© by Stephan Müller


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