Lonnerstadt 15.07.1754 von
Thomas Sävert
"Wie wunderbar sind doch die schröcklichen Wirckungen der Stürme und Ungewitter. Kan man wohl erstaunens-würdigere Proben davon lesen, als diejenige, welche mit folgender Relation, unterm 15. pass. von Lonnersdorf, 2 Stunden von Erlang, unter der Versicherung, daß dieselbe in keinem Stücke übertrieben seye, berichtet worden:
"Es hatte sich an obgedachten Tage daselbst Nachmittags um 4 Uhr ein Donner-Wetter erhoben, und unter andern ein besonders starcker Blitz und heftiger Donnerschlag wahrnehmen lassen, so daß die meisten Leute glaubten, es habe eingeschlagen; worauf denn ein starcker Regenguß erfolgte. Doch dieses Wetter gieng bald und glücklich vorbey, daß die leute aus ihren Häusern wieder hervor kamen, sich umzusehen, ob es nicht etwa Schaden gethan oder eingeschlagen habe. Sie wurden aber gleich hierauf vom Abend der, auf einem Berge, etwa eine halbe Stunde vom Orte, eine düstere Wolcke und schröckliches Brausen gewahr, daß ein jeder gedachte, es würde ein schädliches Hagel-Wetter entstehen. Indem kam ein Wirbelwind neben einem Holze den Berg herab, hob die vor dem Orte auf einer Wiese ausgebreitete Bleiche, die aus vielen Stücken bestund, sämmtlich auf, und führte sie zerstreuet theils hinein in den Ort, theils über denselben hinaus. Ein Weib, das sich bey der Bleiche befand, führte es über den Graben hinüber, und warf solches, jedoch unbeschädigt, vor einer Hauß-Thüre nieder. Desgleichen ergrief es ein Kind, und warf es an einen Stoß Holz hin, den es zugleich umstürzte, und das Kind damit bedeckte, das man aber nach der Hand, da man es schreyen hörte, unverletzt hervor brachte. Ein gleiches ist auch einem Knaben begegnet, welches es in einen Reißhauffen eingedrehet, daß selbiger lange darunter gelegen, daraus er aber auch unversehrt wieder hervor gekommen. Ein anderes Kind hat es in der Stube aus der Wiege gerissen. Überhaupt hat es bey 53. große Gebäude (die völlig eingerissene Schwein-Ställe, Schoppen, Backöfen, Felsen-Keller-Häuslein ec. nicht mitgerechnet) theils völlig mit Loßreissung der Latten und Sparren abgedeckt, theils aller Ziegel beraubt, theils von Grund aus niedergerissen, andere aber nur an den Ecken und Hinter-Giebeln beschädigt, und einige über einen Schuh weit aus dem Grunde hinweg geschoben. Die Wohnhäuser, die zum Theil bis auf den unteren Stock über die Wohn-Stuben, zum Theil aber bis auf den Grund umgestürzet worden, sind 5. zusammen, darunter ein ganzes Brauhauß. Der völlig niedergerissenen Ställe sind gegen 16. und ist einer darunter eine ziemliche Strecke von seinem Orte durch den Wind weggerücket worden. Bey den übrigen Gebäuden, welche gerade in der Reihe stehen, wo der Wirbelwind fortgegangen, sind meist die Dächer abgedeckt, die Dach-Stühle aufgehoben und ruiniert worden, daß viele tausend Ziegel erfordert werden, diesen Schaden zu repariren. An der Kirche allein hat es 7000. Ziegel herab geworden. Ein nicht weit davon befindlicher Wirth hat an seinen Gebäuden über 10000. Ziegel vermisst. Wo die Kirche nicht neu erbauet, und der Hinter-Giebel mit einer starcken und hohen Quader-Mauer versehen gewesen wäre, daran sich der Wind abgeschlagen, so würde es ohnfehlbar den Thurm herab geworden haben, den es oben in der Haube krumm gebogen, auch vielen Schiefer herab geworfen. Das erste Hauß, das völlig und bis auf die vordere Stube umgestürzet worden, war eines Töpfers, welcher, weil er bey einbrechendem Sturme die Hauß-Thüre zumachen wollen, von einem Balcken, den der Wind herbey geführet, zu Boden geschmissen, und etwas beschädigt worden, doch aber lebendig davon gekommen. Wie denn das wunderbarste ist, daß bey diesem entsetzlichen Sturm und Einfall vieler Gebäude, Herabstürzung so vieler tausend Ziegel, und in der Luft herum geflogener Bretter, Bäume und Balcken, weder ein Mensch noch Thier das Leben verlohren, ausser daß nur etliche wenige Gänse erschlagen worden. Über einen Ochsen hat es den Stall zusammen geworfen, welcher aber unverletzt hervor gezogen worden. Merckwürdig ist es ferner, daß dieser Wind in dem Hause eines Webers 2. Fenster sammt den Rahmen und Läden gänzlich abgerissen, und in der Luft fortgeführet, so daß zwar ein Laden in einer weiten Entfernung auf dem Felde wieder gefunden worden, die Fenster aber nicht wieder zum Vorschein gekommen. Es hat auch noch viel andere Fenster theils eingeschmissen, theils fortgeführet. In des D. Creutzers Wohnhause hat es den Ofen-Topf heraus gerissen, und durch die Fenster hinaus geführet, daß man ihn in des Nachbars Hause gefunden; desgleichen hat es in anderen Häusern die Oefen eingerissen, und die Ofen Töpfe mit fortgenommen. Eine Lade mit Kleidern hat es aus dem Boden durch das Dach hinaus und an des Nachbars Hauß geführet, solche aufgesprenget, und alle Kleider in der Luft durch den ganzen Ort ausgestreuet ec. Es hat nicht nur auf dem Berge, wo der Wirbelwind entstanden, in einem Baumgarten etliche 30. grosse dicke Bäume theils ausgerissen, theils entzwey gebrochen, und einige in der Luft mit sich fort durch das Getrayde, welches gänglich ruinirt, bis an den Fiecken geführet, sondern auch in diesem selbst, wo er seinen Strich gehabt, alle ihm entgegen stehende Bäume ausgerissen, zerbrochen, und über die Gärten hinaus in den Fuhrweg geschmissen. Von einer grossen Linde hat es die abgebrochene starcke Aeste 3. Viertel Stunden mit weggeführet, daß man sie bey Stadt Höchstädt gefunden. Man hat auch weit ausser dem Orte viele Bretter, Latten, Balcken, Bäume, Ziegel, ja grosse Steine, die es fortgeführet, auf dem Felde gefunden. In einem Hopfen-Garten hat es nicht nur alle Stangen umgerissen, sondern auch den Hopfen über Kläfter tief mit seinen Wurzeln aus der Erde gezogen. Es hat zwar bey diesem Sturme keinen Tropfen geregnet, doch ist es stockfinter geworden, gestalt die ganze Luft vom Staube, sonderlich der eingeworfenen Gebäude, von Sand, Getrayde, Gras, Aesten der Bäume, Federn von zerrissenen Betten, angefüllet gewesen, welches alles der Wind unter einander geworfen. Inzwischen hat dieser Sturm, der eine so entsetzliche Zerstörung angerichtet, in allem nicht länger als ohngefehr 2. Minuten gedauert. Noch ist merckwürdig, daß die leute, welche sich in der äussersten Furcht in ihren Cammern und Stuben, so gut sie gekonnt, verschlossen und verriegelt, alle mit einander bezeigen, daß sie weder von dem Krachen der eingefallenen Häuser, noch von dem Geprassel der Ziegel, der abgerissenen Latten und Sparren, vor dem entsetzlichen Brausen und Tobend es Windes das geringste gehöret, immassen sie, als der Sturm vorüber gewesen, in Erstaunen und äussersten Entsetzen gerathen, da sie ihre Wohnungen und Ställe eingestürzet, zertrümmert, über ihren Häuptern abgedeckt, und sonst ruinirt gesehen. Dieser Wirbelwind hat sich bis Stadt Höchstädt, 3. Viertel Stunden von Lonnerstadt, erstrecket, wo er noch nahe an der Stadt einen Ast von einem Baume gerissen, weiter aber keinen Schaden gethan hat, wie dann auch die eine Helfte des Orts Lonnerstadt, gegen die Aisch zu gelegen, gänzlich unbeschädigt geblieben, und nicht ein Ziegel vom Dache verrücket worden.""(Quelle: Kurtz-gefaßte historische Nachrichten zum Behuf der neuern europäischen Begebenheiten, Band 36, 1754)



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