Hainichen 23.04.1800 von
Thomas Sävert
Umgebungskarte
(Auszug aus Top200, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)
Dieser Tornado ist einer der beiden bisher bekannten F5-Fälle in Deutschland. Nach einigen Gewittern, die sich bereits mittags zusammenbrauten, baute sich in der Nähe von Freiberg eine besonders hohe Wolke auf, "in deren Mitte sich ein langer Schlauchähnlicher weißer Nebelstrahl zu bilden anfieng, an Größe immer zunahm, und sich abwechselnd zur Erde neigte, bald sich wieder der schwarzen Wolke näherte. Dieses geschahe unter steten schnellen Fortschwimmen der erwähnten Wolke. Nach wenigen Minuten näherte sich die Spitze dieses Schlauches ganz der Erde und strich mit unglaublicher Schnelligkeit mit Staub und Verwüstung begleitet, von Südwest nach Ost an der Oberfläche der Erde fort."

Zwischen 16 und 17 Uhr wütete der Tornado hier, riß alles mit sich, außerhalb der Bahn war es windstill. In der Ortschaft Arnsdorf werden alle Dächer zerstört, danach ganze Häuser und Ställe in Dittersdorf. Dabei starben viele Kühe und Menschen wurden schwer verletzt. Dann folgte eine 50 Meter breite Schneise durch ein Waldgebiet, kein Baum blieb stehen. Einige Bäume wurden mehrere hundert Meter weiter geschleudert oder sogar der Rinde beraubt. In Etzdorf bei Roßwein wurden mehrere Häuser dem Erdboden gleichgemacht, trotzdem kam erstaunlicherweise niemand ums Leben, da die meisten Menschen um diese Zeit auf den Feldern außerhalb des Tornados waren, insgesamt gab es 5 Verletzte. (Quelle: Alfred Wegener: "Wind- und Wasserhosen in Europa")

"Die nämliche Erscheinung, welche sich auf dem Meere als Wasserhose zeigt, kommt auch, obwohl viel seltener als dort, auf dem festen Lande vor, und erscheint als ein heftiger, nur auf einen sehr schmalen Raum eingeschränkter Sturmwind, der Alles mit sich in die Höhe reißt und fortführt. Man nennt die Erscheinung in diesem Falle Windhose oder Landtrombe. Lampadius beschreibt ein solches Naturschauspiel, welches am 23. April 1800 im sächsischen Erzgebirge, unter andern bei dem Städtchen Haynichen, beobachtet wurde. "Nachdem bereits" — erzählt er — "seit dem Mittag in dem Umkreise der genannten Gegend mehre, jedoch nicht sehr starke Gewitter, zum Theil mit Hagel begleitet, von Westen nach Osten vorübergezogen waren, bildete sich plötzlich (zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags) eine sehr finstere Wolke, ungefähr wie es schien 3/4 Stunden unter Haynichen, nordostwärts, in deren Mitte sich ein langer, schlauchähnlicher, weißer Nebelstrahl zu bilden anfing, an Größe immer zunahm, und sich abwechselnd bald zur Erde neigte, bald sich wieder der schwarzen Wolke näherte. Dieses geschah unter stetem schnellem Fortschwimmen der erwähnten Wolke. Nach wenigen Minuten näherte sich die Spitze dieses Schlauchs ganz der Erde und strich mit unglaublicher Schnelligkeit, von Staub und Verwüstung begleitet, von Südwest nach Ost an der Oberfläche der Erde fort. In 7 bis 8 Minuten berührte dieser Wirbel eine Strecke fast von einer teutschen Meile in einer gleichförmigen Breite von 60 Schritten. Alle sich ihm entgegenstemmende erhabene Gegenstände wurden zerrissen und umher geschleudert, indeß, was äußerst merkwürdig ist" (und auch bei den Wasserhosen auf dem Meere vorkommt) "außerhalb dieser Breite eine Windstille herrschte. Man denke sich das Erstaunen einer Bauersfrau in Dittersdorf, welche durch das Fenster in der Wohnstube ihres Hauses die Scheune neben demselben mit dem größten Geprassel einstürzen sieht, indem sie sich an ihrem Beobachtungsorte ganz ruhig und ohne Erschütterung befindet! ... Südwestlich, auf den Feldern des Dorfes Arnsdorf, fällt der Wirbel gegen die Erde nieder und fängt zuerst an, die Dächer der Gebäude dieses Ortes zu zerstören. Nun senkt er sich tiefer und zieht in derselben Richtung auf das Dorf Dittersdorf los, und zertrümmert zuerst das vor 6 Iahren ganz neu erbaute Philippsche Gut. Die Scheune wird in Stücken umhergeworfen, die Stallgebäude werden verrückt, und das große Wohngebäude bis auf den letzten Flügel gänzlich zertrümmert. Jedoch wird auch dieser um 3 Ellen verschoben. Das Dach wird nebst dem Boden voll Getreide in den nächsten Teich geschleudert, indem das Mauerwerk zerrissen wird und die Gewölbe einstürzen. Nur einzig die gewölbte Küche erhielt sich, und hier fristet die Vorsehung der Familie des Hausbesitzers das Leben. Mehre Kühe werden erschlagen, andere halb zerdrückt und sonst beschädigt, und erfüllen mit ängstlichem Brüllen die Luft, indessen das Federvieh durch den heftigen Wirbel getödtet mit fortgerissen wird. An diesen Thieren bemerkte man keine Spur einer Versengung.
Auf dem nächstgelegenen Gute reißt diese ungeheure Kraft drei Seitengebäude und zwei einzeln gelegene Häuser nieder. In dem einen werden zwei alte Eheleute unter den Trümmern verschüttet. Sie erhalten jedoch ihr Leben, aber der Mann wird am Kopfe sehr beschädigt und der Frau ein Schenkel zerbrochen. Immer weiter stiegt nun die wirbelnde Bewegung und setzt ihren Lauf zuerst queer durch den angränzenden kurfürstlichen Wald fort. In der Breite von 60 Schritten wird dort kein Baum und kein Strauch verschont. Abgebrochen, ausgerissen, und zum Theil weit umhergeschleudert werden diese starken Gewächse, und in einem Augenblicke eine Allee durch den Wald geschlagen. Mehre dieser Bäume waren fast ganz abgeschält und zwar bis an ihre Spitzen. Um sich einen Begriff von jener Kraft zu machen, bedenke man, daß starke Bäume mehre hundert Schritte aus dem Walde über den Strigisfluß fortgeschleudert wurden. Noch immer verheerend zieht dieser Strom auf das Dorf Etzdorf bei dem Städtchen Roßwein, und vollendet seine Verwüstungen mit der Zerstörung von vier Bauergütern und einem Halbhufengute. Mehre dieser Häuser wurden gänzlich nieder und umher geworfen, von andern wieder die Dächer abgedeckt, Wände und andere Theile der Häuser verschoben und umhergeschleudert. Eichen und Linden, wie alle andere Bäume auf dem Zuge in diesem Dorfe, wurden ausgerissen und zerbrochen. Doch auch hier kam, weil viele Einwohner auf dem Felde beschäftigt waren, glücklicherweise Niemand ums Leben. Einige Personen wurden zwar unter den Trümmern verschüttet und beschädigt, aber dennoch gerettet. Endlich veränderte sich die wirbelnde Bewegung, und die Dampf- und Wolkensäule zerstreute sich zwischen Etzdorf und Roßwein. Zwischen Dittersdorf und Etzdorf wurde ein Knecht nebst zwei Pferden gegen 60 Schritte weit in den Hohlweg geschleudert. Er liegt einige Minuten ohne Bewußtseyn, und erstaunt beim Erwachen über die Spuren der Verwüstung um ihn her, so wie über seine Pferde, welche keuchend in einiger Entfernung im Strauchwerk verwickelt liegen."
Daß bei dieser Windhose Elektrlcität im Spiele war, geht nicht nur aus dem gleich Anfangs beschrieben Zustande der Atmosphäre, sondern auch daraus hervor, daß aus dem fortziehenden Schlauche von Zeit zu Zeit Blitze, obwohl ohne Donner, hervorschossen, und daß mehre Personen nach Endigung der Erscheinung einen schwefelartigen Geruch empfunden zu haben versicherten." (Quelle: Johann Gottfried Sommer, Physikalische Beschreibung des Dunstkreises der Erdkugel, 1830)



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