Hesborn am 21.06.1857 von
Thomas Sävert
Aus der Magdeburgischen Zeitung vom 27. Juni 1857:
"Herborn bei Medebach in Westfalen, den 21. Juni (Westf. Ztg.) Es war heute ungefähr 3/4 nach 10 Uhr Morgens, als am Himmel, 1 1/2 Stunde vorher noch unbewölkt und heiter, dann aber dunkel umzogen, sich ein auffallend dunkler Schweif vom Gewölbe herabsenkte, anfangs nur 4 Fuß in der Länge und 2 1/2 Fuß in der Breite messend, neben dem sich gleichzeitig eine andere ähnliche, jedoch kleinere Säule bildete. Das Phänomen stand dem Dorfe gegenüber südlich; die Lage des Ortes ist kesselförmig tief. Der Wind strich nicht eben heftig. Dabei entlud sich über unserem Horizonte ein Gewitter, während ein anderes im Westen furchtbar sich fomirte. In 10 Minuten war der Schweif ungefähr 10 Büchsenschuß Länge gewachsen, nahm aber in seiner Längenausdehnung zu und zog sich nahe dem Himmelsbogen prallel von Westen nach Osten hin. Nachdem er furchtbar genug gewachsen, senkite er sich zur Erde und nahm eine Zeit lang eine knieförmige Gestalt an; in der Mitte gebrochen lagerte er sich lothrecht zur Erde. Der mit der Erde in Verbindung getretene Schweif bewegte sich und zog über den kahlen Feldrücken in der Richtung des Windzuges. Diese neue Veränderung brachte den Zuschauer auf den Schluß, daß es eine Windhose sein müsse. Die Darstellung davon änderte sich in einigen Minuten. Der Schweif verließ seine Richtung, um dem Dorfe näher zu kommen, und es erhob sich ein starker Rauch, als wenn es in einem vollgespeicherten Hause brennt, wo die Flamme nicht hervorbrechen kann. Im gleichen Augenblicke erhob sich mit Blitzesschnelle eine andere Säule senkrecht von der Erde zum Himmel bis hoch in die Wolken, dicht neben der anderen. Ueberall erscholl während dem der Ruf: es brennt, es ist Feuer! Und in der That vereinigten sich alle Umstände, selbst dem ruhigen Beobachter den Gedanken nahe zu bringen, der Weltuntergang sei doch wirklich eingetroffen, wenn auch später, als angezeigt. Alles betete und wandte sich um Gnade in diesem bedeutsamen Augenblicke zum Himmel; Kinder und Mütter jammerten dem grausigen Ende entgegen. Der bedrohliche Augenblick sollte jedoch nicht lange dauern. Das Phänomen zog seitabwärts nach einem Tannenwalde und verlor sich. Spuren auf der Erde sind nicht zurückgelassen. Die kleineren Feldfrüchte sind gedrückt wie mit einer Walze, die Halmfrüchte dagegen geknickt. Die Bahn ist so gezeichnet, als wenn eine Walze daher geschleppt sei. Wäre dies Ereignis auf den angegebenen Weltuntergangs-Termin gefallen, so würde es die traurigsten Folgen gehabt haben!"



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