Frankfurt 06.07.1862 von
Thomas Sävert
Aus einer Meldung der Freiburger Zeitung vom 08.07.1862: "Freiburg, 7. Juli. Es wird uns soeben die Nachricht mitgetheilt, daß in Frankfurt die neugebaute Festhalle für das große Schützenfest, bei Anwesenheit einer großen Zahl Personen gestern eingestürzt sei. Bestätigung ist natürlich abzuwarten." (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)

Aus einer weiteren Meldung der Freiburger Zeitung vom 09.07.1862: "Frankfurt a.M., 6. Juli. Nachdem heute Nachmittag 1 Uhr ein großes Bankett von 4000 Gedecken in unserer prachtvollen Schützenfesthalle stattgefunden und solches kaum beendigt und viele Tausende Menschen auf dem Festplatze anwesend waren, erhob sich um 4 1/4 Uhr ein furchtbarer, hier noch nicht erlebter Orkan, verbunden mit einem wolkenbruchartigen Regen, welcherdie beinahe ganz fertige Festhalle theilweise zertrümmerte. Eine grauenhafte, nicht zu beschreibende Scene war es. Alles war unter die Festhalle geflüchtet; plötzlich brachte der furchtbar wüthende und heulende Sturm dieselbe ins Wanken und Balken, ganze Dachtheile, Verzierungen etc. stürzten herab auf die zusammengekauerten und schreienden Menschenknäuel. Zwei Frauen wurden auf der Stelle getötet, die eine in der Küche durch den Einsturz eines Schornstiens, die andere in der festhalle, eine Frau wurde vom Schlage getroffen und verlor die Sprache; viele Personen wurden verwundet, darunter einige lebensgefährlich. Um 6 Uhr wurden mehrere hundert Mann Militärs begehrt, um den Platz abzusperren. Die Telegraphenlinien sind unterbrochen." (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)

Aus einer weiteren Meldung der Freiburger Zeitung vom 09.07.1862: "Frankfurt, 6. Juli. Unsere ganze Stadt ist seit Nachmittag in der größten Bestürzung. Nachmittags gegen 4 Uhr erhob sich ein Orkan mit Gewitter so heftiger Art, wie seit Menschengedenken hier nicht vorgekommen. Schornsteine und fenster stürzten auf die Straßen, Bäume wurden entwurzelt etc. Auf den Promenaden liegen abgerissene Aeste und entwurzelte Bäume so dicht, daß dieselben nurmit Mühe zu begehen sind. Trotz des grausigen Anblicks, den die wahrhaft entsetzlichen Verwüstungen in nächster Nähe boten, waren die Gedanken Aller aber doch ohne Zweifel auf die Festhalle gerichtet, wo, ziemlich zu gleicher Zeit, ein auf 4000 Gedecke berechnetes Mahl stattfand. Die dort vorgekommenen Scenen sollen markerschütternd gewesen sein. Das eigentliche Essen war vorüber, und Tausende von Theilnehmer saßen in gehobener Stimmung noch am Tisch, als der Orkan losbrach. Anfänglich nahm man die ersten Ausbrüche heiteren Muthes auf; als aber die Balken zu krachen anfingen, Mantillen, Hüte, Schleier, Schirme etc. von der Gewalt des Sturmes weggerissen wurden, Fahnen herunterflogen und plötzlich ein Theil des Daches herunter in das Gewühl stürzte, suchte Alles zu fliegen. Damen stürzten in Ohnmacht, und den Fliehenden wurden (buchstäblich) die Kleider vom Leibe gerissen. Viele stürzten in diesem Zustand in einen Graben, wo sie längere Zeit hilflos liegen blieben. Die Vorrathskammer ist ganz zusammengebrochen, und hier scheinen auch die meisten Verwundungen vorgekommen zu sein. Man sprach von zwei getödteten Küchenmädchen. Die Ausschmückung der innern Halle ist gänzlich verwüstet, und die Halle selbst neigt sich nach einer Seite. Das Gerüst um den Gabentempel hat der Sturm ganz weggenommen. Die Germana aber steht noch unversehrt. Der Gabentempel selbst soll sich jedoch auch neigen. Der Festplatz wurde sofort abgesperrt, und Hunderte von Arbeitern sind seit Nachmittags mit Aufräumen beschäftigt.
Frankfurt a.M., 7. Juli. Bei dem getrigen heftigen Orkan wurden zwei Kochfrauen getödtet und ein Koch schwer verwundet. Sonst nur leichte Verletzungen.
Frankfurt, 7. Juli. Das Centralcomite des deutsches Schützenfestes hat heute nach allen Seiten hin folgende Depesche erlassen:
"Einrichtungen in der Festhallen mehrfach beschädigt. Alle Vorkehrungen zur Reparatur sofort getroffen. Das Fest findet ungehindert zur bestimmten Zeit statt." Ferner folgenden Aufruf.
Mitbürger! Ein gewaltsames Elementarereignis hat uns betroffen; ein Orkan von furchtbarer Heftigkeit hat die Festhalle beschädigt und unbrauchbar gemacht. Frankfurts Bürger haben die Männer von Deutschland zu nationaler Feier in ihre Stadt berufen; schon sind die geladenen Gäste bereit, dem ergangenen Rufe zu folgen. - Sollen wir kleinmüthig dem Unfall gegenüber stehen? Sollen wir verzagen in dem Augenblick, da es gilt zu handeln? Nimmermehr! Das deutsche Schützenfest wird, wie bestimmt, am 13. Juli beginnen. [...]" (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)



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