Vohwinkel 12.08.1875 von
Thomas Sävert
Zeitpunkt: gegen 19:15 Uhr MEZ. Tornado im Bereich des Guts Simonshaus, heute in Wuppertal-Vohwinkel: "Vorwort. Die Freunde werden mir's erlauben, wenn ich diesmal etwas meinen ältesten Sohn, Carl, Betreffendes, das mich selbst begreiflich sehr berührt, hier mittheile. Die Erfahrung, die mein Sohn, der in Simonshaus, bei Vohwinkel, etwa 10 Minuten von da, welches nahe bei Elberfeld liegt, zu einem Zieglergeschäft und als Oekonom angesiedelt ist, hat mich erschüttert und gehoben. Sie mag auch, der Sache nach, in weiteren Kreisen interessieren.
Mein Sohn telegraphirte mir von Vohwinkel d. 13. August: "Gestern Abend 8 Uhr schleuderte ein orkanartiger Wirbel meinen 200 Fuß langen hölzernen Ziegelschuppen hoch durch die Luft mehrere 100 Schritte weit. Niemand verunglückt. Schaden circa 1000 M. Mehr brieflich. Mit herzlichem Gruße."
Nachgefolgter Brief: "Leider habe ich euch eine nicht angenehme Nachricht bringen müssen. Die Details der Katastrophe zu beschreiben, dazu gehört eine kühne Feder; denn Uebertreibungen dieses Naturkrachs sind ohnehin nicht möglich. Es war ein Rasen, Zittern und Beben der ganzen Atmosphäre, wie die kühnste Phantasie sie nicht ausmalen kann. Gegen 5 Uhr Nachmittags (d. 12. d.) zog sich ganz allmählig ein Gewitter zusammen, aber ganz still und ruhig. Der Himmel überzog sich; und es wurde immer düsterer, immer schwüler, und zuletzt gegen 7 Uhr fast finster. Die Luft war ruhig, kein Wind, kaum ein wenig Donner und Blitz. Um 7 1/4 Uhr plötzlich ein starker Blitz und Donner, schwefelgelb die ganze Luft, ein vollständiges gelbgrünes Rauchen am ganzen Himmel, so weit man sah, - und nun, aber ganz hoch, ein Rasen der Elemente, daß man nicht weit dazu hatte, an einen kommenden Untergang der Welt zu denken. Die ganze Luft füllte sich mit einem derartigen Schwefelgeruch, daß ich mich unwillkürlich nach einer Brandstelle umsah. Das Toben der Elemente kam immer näher nach unten. Da plötzlich, - ein furchtbarer Krach, eine rasende Windhose von Nordwest kommend, - noch eine halbe Minute, - und Alles mäuschenstill; und über den Trümmern glänzte, wie mit Einem Schlag, die Sonne, um 5 Minuten nachher einem 1/4 Stunde andauernden milden Regen Platz zu machen."
"All das, die Finsterniß, der gelbe Dunst und das Rasen in den oberen Luftschichten, dauerte vielleicht 5 Minuten, der Windstoß keine halbe Minute, in welcher mein 200 Fuß langer Schuppen wie eine Feder weggeblasen wurde, theilweise über 100 Fuß in der Luft baumelnd. Das fliegende Dach wurde über den Berg weg in Vohwinkel gesehen; und einzelne Fetzen flogen bis nach Vohwinkel, wo ein Stück auf ein Dach fiel. Zwanzig Mann waren noch 5 Minuten vorher, als eben nur ein starkes Gewitter zu drohen schien, in den Schuppen beordert worden, um Steine aufzuhagen. Der Schrecken war aber bald so auf Alle gefallen, daß eben Alles davonlief, ohne zu wissen, wo eigentlich hin. So befanden sich nur noch zwei Mann im Schuppen, als der Wirbel ansauste. Diesen sauste der Koloß von Schuppen über den Kopf kerzengerad auf; und es ist ein Wunder, daß sie gerade den Weg beim Laufen einschlugen, der sie allein den fast von allen Seiten durch einander fliegenden Sparren, hölzernen Brettern und Stützen entziehen konnte."
"Imposant war das Stillstehen aller tobenden Elemente in Einer Sekunde, und zugleich das Durchbrechen der Sonne. So deutlich habe ich noch nie ein göttliches Commandowort in der Natur erkannt! Es war kein Uebergang. Eben noch Finsterniß, durch schwefelgelben Dunst und einige rothe Blitze unheimlich erleuchtet. Aber, wie gesagt, auf Einen Hieb, in Einer Secunde - Alles ruhig und still und ein freundlicher Sonnenblick, - kein Lüftchen wehte mehr."
"Ich habe heute meine Trümmer zusammengesucht, und ist der Schaden doch nicht größer, als circa 5 bis höchstens 600 M., da fast alles Hölzer und Bretter noch ganz sind. Das ganze Ding hat eben eine Luftreise gemacht, und beschränkt sich der Verlust hauptsächlich auf die Asphaltpappe. Ziegel hatte ich wenige darunter, und sind heute alle eingefahren worden."
"Gott sei Dank für alle Bewahrung, denn - zwei Minuten so, und in Simonshaus blieb kein Stein auf dem andern."" (Quelle: "Blätter aus Bad Boll für seine Freunde" von Pfarrer Johann Christoph Blumhardt. Dritter Jahrgang. 1875)



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