Frankfurt/Oder 18.07.1918 von
Thomas Sävert
"Die Windhose von Frankfurt a. d. Oder vom 18. Juli 1918 - Darüber berichtet H. Seilkopf (Met. Z. 40, 97 (1923)): Am 18. Juli wurde in Frankfurt a. d. Oder eine Windhose beobachtet. Gegen 1 1/2 p erschien im Nordwesten der Stadt ein Gewitter, das starke elektrische Entladungen brachte. Während es über die nördlichen Vorstädte und das Innere der Stadt zog, entwickelte [...]" (Quelle: Archives for meteorology, geophysics, and bioclimatology, 1971; weitere Quelle: Reinhard Joachim Süring, Leitfaden der Meteorologie, 1927) - Aus H. Seilkopf (Met. Z. 40, 97 (1923), recherchiert im Nachlass von J. Letzmann, Archiv der Deutschbaltischen Kulturstiftung, Lüneburg: "Über die Windhose von Frankfurt a. d. Oder am 18. Juli 1918 und die Beziehungen zwischen Wetterlage und Trombenbildung. Von Dr. Heinrich Seilkopf (hamburg).
Am 18. Juli 1918 wurde in Frankfurt a. d. O. eine Windhose beobachtet. Gegen 1 1/2 p erschien im Nordwesten der Stadt ein Gewitter, das starke elektrische Entladungen brachte. Während es über die nördlichen Vorstädte und das Innere der Stadt zog, entwickelte sich auf seiner rechten Flanke eine Windhose, die mit ostsüdöstlicher Zugrichtung auf die Beresinchen- und Gubener Vorstadt zuschritt; sie soll sich westlich der Stadt zwischen dem Dorfe Rosengarten und den Nuhnen gebildet haben. Ihr Aussehen schildert mein Bruder, cand. theol. H.J. Seilkopf, als das einer sehr tiefhängenden, säulenförmigen Wolkenmasse von dunkler, graugelblicher Farbe, die rasch in zyklonalem Sinne rotierte. Zunächst richtete sie beim Überqueren des Beresinchens schweren Schaden an: Dächer wurden abgedeckt, Schornsteine umgeworfen und die Seitenwand eines massiven Schuppens nach außen auf die Straße gedrückt. Auf dem Leipziger Platz wurde eine größere Anzahl von Bäumen gefällt; nach einer vorliegenden Photographie ist die Fallrichtung der Bäume nordwärts. Das Zerstörungsfeld gehörte also hier zur rechten Randzone der Trombenspur. Beim Überschreiten des Bahnhofgeländes deckte die Windhose das Dach eines Lokomotivschuppens ab und hob - nach liebenswürdiger Mitteilung von Herrn Professor Dr. K. Wegener - die schweren Wagen eines auf dem Bahnhofe haltenden D-Zuges für einen Augenblick kippend an. In der Gubener Vorstadt wurden dann wieder Dächer beschädigt, zum Teil abgedeckt und zahlreiche Bäume umgeworden; am Anger allein 24 Linden. Als Fallrichtung gab mir mein Bruder NW - SE, bei einigen jedoch E - W an; hier scheint die Trombe gerade hinweggeschritten zu sein. Im Garten des südöstlich anschließenden Karthausbades wurde die Mehrzahl der größeren Bäume entwurzelt. Mit Überschreiten der Oder scheint die Windhose wesentlich an Kraft verloren zu haben. Im Pfarrwinkel hat sie nur noch aus einigen Bäumen Teile der Krone herausgedreht und am Bismarckturm Roggenmandeln emporgewirbelt; in der Grundheide ist kein Schaden mehr zu verzeichnen.
Die Länge der nachweislichen Trombenspur beträgt demnach 4,5 km. Nimmt man als Entstehungsort der Windhose die Gegend zwischen Rosengarten und Nuhen an, so würde ihre Bahn 7 bis 8 km lang gewesen sein. Die Bahnrichtung ist WNW - ESE. Die Spurbreite [Mittelzone plus Randzone] beträgt im W der Beresinchenvorstadt 250 m, in der Gubener Vorstadt dagegen etwas über 500 m, sie hat sich also erheblich verbreitert. Nördlich der Trombenbahn fiel stärkerer Regen, strichweise auch Hagel; die im Nordteil der Stadt gelegene Station zweiter Ordnung beobachtete von 2 bis 2 ¼ p Regen und Hagel.
An demselben Nachmittage, offenbar demselben Gewitterzuge angehörend trat noch eine zweite Windhose im Gebiet auf: Bei Krossen a. d. Oder, 50 km südöstlich Frankfurt. Sie überschritt dort in geringer Breite den Steinweg und richtete an Bäumen beträchtlichen Schaden an."



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