Lahr 09.09.1924 von
Thomas Sävert
Umgebungskarte
(Auszug aus Top200, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)
Aus einer Meldung der Freiburger Zeitung vom 10.09.1924: "Verheerendes Unwetter. Lahr, 9. Sept. Ein verheerendes Unwetter suchte heute Nachmittag unsere Gegend heim. Von Südwesten nach Nordosten zog in mäßiger Breite eine Art Windhose über das Land und zerstörte alles, was in ihren Bereich kam. In Grafenhausen wurden zahlreiche Dächer abgedeckt. Am Bahnhof Kippenheim wurde eine etwa 30 Meter lange und 15 Meter breite, massive Halle der Mehlgroßhandlung Wilhelm Wertheimer dem Erdboden gleich gemacht. Ein großer Teil der Vorräte ging zugrunde. Zwei Eisenbahnarbeiter wurden verletzt, einer von ihnen schwer. An der Straße von Kippenheim nach Lahr wurde eine große Anzahl Telegraphenstangen umgelegt, beladene Oehmdwagen (Anm.: Oehmd = Heu, zweiter oder späterer Schnitt) umgeworfen, ungefähr 600 Obstbäume auf der Gemarkung entwurzelt. In Sulz hat das Unwetter gleichfalls schlimm gehaust, ganz besonders aber in Reichenbach, das einem beschossenen Ort gleicht, in dem viele Gebäude schwer beschädigt oder völlig zerstört wurden. In den Waldungen hat der Orkan bös gehaust. Auf dem Langenhard wurde eine Scheuer zerstört. Der betagte Landwirt Moser fand dabei den Tod. Der Schaden ist sehr groß. Zahlreiche Lastwagen schaffen Ziegel in die beschädigten Ortschaften, um die Dächer einigermaßen wieder in Stand zu setzen." (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)

Aus einer weiteren Meldung der Freiburger Zeitung vom 11.09.1924: "Die Unwetterkatastrophe. Ueber den Schaden, den das verheerende Unwetter am Dienstag nachmittag in der Gegend zwischen Lahr und Offenburg anrichtete, wird uns noch berichtet: Gegen 3 Uhr ging von Südwesten kommend ein schweres Unwetter über die Gemarkung Schwaibach nieder und richtete innerhalb weniger Minuten einen noch nicht übersehbaren Schaden an. Die Wirkung der Windhose war derartig heftig, daß die meisten Gebäude der Kreispflegeanstalt Fußbach schwer beschädigt wurden. Die erst im vorigen Jahre neu errichtete Giebelwand des Frauenhauses wurde in einer Höhe von 7 Meter weggedrückt, die etwas mehr geschützte gegenüberliegende Giebelwand des Männerhauses wurde ein Stück abgedrückt. Viele Fenster und Türen wurden zerstört. Von den Anstaltsinsaßen wurden 11 Personen verwundet, darunter eine schwer. Zwei alte Pfleglinge, die am Anstaltstor standen, wurden durch einen stürzenden Baum getroffen und schwer verletzt. Aber nicht nur in der näheren Umgebung der Anstalt, sondern auch auf fast allen Höfen und anderen Gebäuden wurde Schaden angerichtet. Der Zugang zur Anstalt ist auf einer Strecke von 300 Meter durch umgestürzte Bäume gesperrt. Die Trümmer von Schornsteinen usw. liegen zentimeterhoch." (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)

Aus einer weiteren Meldung der Freiburger Zeitung vom 11.09.1924: "Aus Zella a. H. wird gemeldet: Am Dienstag nachmittag zwischen 3 und 1/2 4 Uhr zog vom unteren Kinzigtal her ein orkanartiger Sturm über die Höhe Härtenbach-Reik ins vordere Nordrachtal und richtete überall, wo er vorüberzog, gewaltige Verheerungen und unübersehbaren Schaden an. Zahllose Obstbäume liegen entwurzelt wie hingemäht am Boden. Einzelne Obstbaumbesitzer sind um ihren ganzen Obstbaumbestand gekommen. An zahlreichen Häusern wurden die Dächer abgedeckt. Am schwersten hat das Anwesen des Gemeinderechners Göhring gelitten. Das Dekonomiegebäude und die Waschküche sind eingestürzt und das Dach des Wohnhauses wurde abgedeckt. Die Bewohner konnten sich nur mit knapper Not retten. Die Frau des Gemeinderechners liegt schwer darnieder. Eine auf dem Felde arbeitende Frau, die sich retten wollte, wurde von einem umstürzenden Nußbaum totgedrückt. Viele Personen, die sich im Freien befanden, wurden vom Sturm in die Höhe gehoben und dann auf die Erde geschleudert, so daß eine ganze Anzahl verletzt darniederliegt. Im Zinken Erzbach wurden ungefähr 2000 Festmeter Holz vom Sturm durcheinandergeworfen und vernichtet. Der Wald auf der Höhe gegen Mühlstein ist stellenweise wie gemäht." (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)

Aus einer weiteren Meldung der Freiburger Zeitung vom 12.09.1924: "Zu dem verheerenden Unwetter in der Lahrer Gegend wird uns noch berichtet: In Langenhardt fiel, wie schon kurz mitgeteilt, der hochbetagte Landwirt Franz Anton Moser dem Unwetter zum Opfer. Der alte Man lud mit seinen beiden Söhnen in der Scheune Stroh ab, als der Sturm plötzlich das Dach der Scheune hinwegfegte und alle drei unter stürzendem Gebälk begraben wurden. Als die Söhne sich freigemacht hatten, fanden sie ihren Vater mit schweren Kopfverletzungen in den letzten Zügen unter den Trümmern liegen. - Das Hauptverwüstungsfeld bei dem Sturmwetter am Dienstag liegt zweifellos im Nordrachtal. Gewiß ist der Anblick der Kreispflegeanstalt Fußbach erschütternd, aber es handelt sich hier doch nur um einen Gebäudeschaden, der auch wieder aus allgemeinen Lasten gebessert werden kann, während im Nordrachtal nur Privatleute zu den Geschädigten gehören. Hier ist es besonders das Haus des Gemeinderechners Göhring. Es gleicht einem Trümmerfeld, als ob hundert Haken zur gleichen Zeit die Mauern eingerissen hätten. Das Wohnhaus ist stehengeblieben. Es konnte dem Sturm nur deshalb standhalten, weil hinter ihm das Leibgedinghaus des Gemeinderechners Göhring stand. Der Heuschuppen, wie auch der Wagenschuppen sind vollständig zerstört. Sämtliches Inventar, das hier untergebracht war, ist ebenfalls verloren. Der Oberamtmann von Offenburg, Engler besichtigte am Mittwoch die Anstalt Fußbach und auch das Nordrachtal. Er traf sofort die nötigen Anordnungen, damit den Geschädigten durch das Bezirksamt Hilfe gewährt werde. Landesökonomierat Stadtler sorgte dafür, daß der an den Obstbäumen angerichtete Schaden amtlich aufgenommen wurde. Für die Aufräumungsarbeiten wurde von Amtswegen ein Zimmermann bestellt. Die Frau des Gemeinderechners Göhring wurde auf der Obstwiese vom Sturm erfaßt und viele Meter hoch emporgeschleudert. Beim Absturz auf die Erde brach sie mehrere Rippen und verletzte sich die Lunge. Infolge ihres hohen Alters fürchtet man für ihr Leben. Die bei dem Sturm Getötete ist eine Taglöhnerin Frau Braun, die mit Frau Göhring bei der Obsternte beschäftigt war. Sie wurde unter einem Baum hervorgezogen." (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)

Aus einer weiteren Meldung der Freiburger Zeitung vom 13.09.1924: "Lahr, 12. Sept. Die Lahrer Zeitung bringt über die Unwetterkatastrophe vom Dienstag ein Stimmungsbild, dem wir folgendes entnehmen: Viele Hunderte besuchen die Stätten, an denen das Unwetter am schlimmsten gehaust hat und wo die Geschädigten emsig bei der Arbeit sind, die Zerstörungen an den Häusern, soweit dies in der Eile möglich ist, auszubessern. Hunderttausende von Ziegeln sind nötig, die Dächer wieder zu decken. Einen überaus traurigen Anblick bietet der Teil der Gemarkung Reichenbach, der sich hinter den Häusern links der Landstraße der Kirche zu hinzieht. Wo vordem ein Wald tragbarer Obstbäume stand, befindet sich jetzt ein wirres Durcheinander von gestürzten und abgedrehten Bäumen und abgerissenen Zweigen; das viele Obst, das am Boden lag, haben die Leute bereits geborgen. Für diejenigen, die sich auf den Höhen über dem Unwetter befanden, bot sich ein grausiges Schauspiel. Augenzeugen aus dem Litschental und vom Hasenberg, welche beide Orte sich in der Luftlinie sehr nahe am Verwüstungsgebiet befinden, erzählen, daß sie mit Oehmdladen beschäftigt waren und ihre Arbeit auch nicht zu unterbrechen brauchten, als plötzlich links von ihnen ein dumpfes Brausen und Rollen anhub und tief herabhängende dunkelgraue zerrissene Wolken mit Pfeilgeschwindigkeit vorbeischossen; aber noch ehe die Leute recht zur Besinnung gekommen waren, lachte wieder blauer Himmel auf sie hernieder. Die Geschädigten sind in einer um so traurigeren Lage, als sie von keiner Versicherung etwas zu erhoffen haben; hier müßte staatliche und private Hilfe eingreifen, da sich unter den Opfern des Unwetters viele befinden, die nicht imstande sind, für die Schäden selbst aufzukommen. In Sulz ist etwa ein Drittel bis die Hälfte der schönsten Bäume auf der Gemarkung vernichtet. In Kippenheim wurden von den Gemeindebäumen an der Landstraße nach Lahr, fast durchweg Prachtexemplaren, 102 vom Sturme gefällt, auf der weiteren Gemarkung 400-500. Vom Dach der Mattmühle wurden nicht weniger als 2000 Ziegel abgerissen und zertrümmert." (Quelle: Universitätsbibliothek Freiburg)

"Am 9. September 1924 zog eine Windhose über Kippenheim und zerstörte am Bahnhof eine etwa 30 Meter lange und 15 Meter breite, massive Halle der Mehlgroßhandlung Wilhelm Wertheimer. An der Straße von Kippenheim nach Lahr wurde eine große Anzahl Telegraphenstangen umgestürzt und ca. 600 Obstbäume entwurzelt." (Quelle: Kippenheim - InfoRapid Wissensportal)



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