Bremerhaven 21.08.1988 von
Thomas Sävert
Umgebungskarte
(Auszug aus Top200, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)
Aus einer Meldung der Nordsee-Zeitung vom 22.08.1988: "Windhose fegte über Marina - Boote flogen durch die Luft. Das Inferno brach kurz vor 21 Uhr los: Eine Windhose fegte über die Marina am Bremerhavener Fischereihafen, wirbelte Autos und Boote durch die Luft. "Die Fahrzeuge flogen teilweise 100 Meter weit und 50 Meter hoch, stapelten sich übereinander", beobachteten Helmut Kuhlmann und seine Frau Ilse von der Nordsee-Yachting. "Wie bei einem Wirbelsturm in Florida." Dabei blieben die Ausmaße des Unwetters räumlich eng begrenzt - die Windhose fegte in einer etwa fünf Meter breiten (Anm.: Angabe scheint etwas zu gering) Schneise "nur" über den Parkplatz und den Jachthafen. Nicht einmal die Wasserschutzpolizisten an der Doppelschleuse hatten etwas bemerkt. [...] Fakt ist, dass Boote vom Land ins Wasser geschleudert wurden und anschließend im Fischereihafen trieben oder sanken. Eine Jolle verfing sich in den Masten eines größeren Schiffes. Bis gestern Abend registrierte die Polizei sechs Autos mit Totalschaden und eine größere Zahl von beschädigten Booten."

Am folgenden Tag (23. August 1988) hieß es in der Nordsee-Zeitung: "Ein Flying Dutchman segelte auf Autodach - Sturm durch Temperaturgefälle.
Ein "Flying Dutchman" machte seinem Namen alle Ehre. Rund 40 Meter segelte das Boot empor und über eine Hecke hinweg. Doch die Landung des "Fliegenden Holländers" war wesentlich unromantischer als in der gleichnamigen Wagner-Oper. Krachend landete der 6,05 Meter lange Renner der bekannten Olympia-Klasse auf dem Heck eines Honda-Mittelklassewagens, als ihn die Windhose aus den Klauen ließ.
Der "faszinierende Alptraum", der vorgestern abend auf dem Parkplatz der "Nordsee-Yachting" in Wulsdorf einen Schaden von mehreren hunderttausend Mark anrichtete (NZ von gestern), wird dem Marina-Geschäftsführerehepaar Ilse und Helmut Kuhlmann noch lange in Erinnerung bleiben. "Gottlob waren keine Menschen im Gefahrenbereich", meinten die beiden erleichtert.
Eine derartige Vorstellung ließ auch den Leiter der Wetterwarte, Hans W. Beyer, im Nachhinein erschauern, als er sich die Auswirkungen des fünfminütigen Spektakels vor Ort ansah. Kurz vor 21 Uhr gingen biedere Jollen und andere "betuchte" Nußschalen plötzlich auf Segelflug. Eine sauste in 30 bis 40 Metern Höhe in Richtung der dümpelnden Jachten, überflog die erste Reihe und krachte in den Mastenwald der folgenden. Von dort aus plumpste sie wie ein Stein in den Hafen, rekonstruierte Kuhlmann im Anschluß an das Spektakel.
Zusammen mit seiner Frau saß er am Sonntagabend noch im Büro, als kaum 50 Meter entfernt der Sturm losbrach: "Wir hörten ein wahnsinniges Heulen und sahen zuerst, wie unsere Gartenmöbel in die Höhe flogen." Doch das war bereits der äußere Rand der Windhose, Nur wenig weiter, im Zentrum des Fußes, wirbelten Fallwinde mit einer Geschwindigkeit bis zu 360 Kilometer pro Stunde gewichtige Mittelklassewagen bis zu 15 Meter in die Luft. Krachend verknäulte sich das Heck eines schweren Opel mit dem Amaturenbrett eines Audi. Insgesamt vier Wagen blieben zurück wie für die Schrottpresse gestapelt, beobachtete auch der 74jährige Skipper Heinz Brand von seiner Jacht "Ayesha" aus höchstens 50 Metern Entfernung. Als er seinem Sohn mit einem Schnaps im Führerhaus zuprostete, deutete seine Frau Ilse auf eine "Rauchsäule". Fasziniert verfolgte der Hobbysegler, wie sich der Wolkenflaum zügig zu einem riesigen Gebilde türmte.
"Das passiert, wenn es zu extremen Temperaturgefällen von oben nach unten kommt", beschreibt Beyer ein Phänomen, das auch auf See als Wasserhose auftritt. Wesentlich größere Ausmaße entwickelt dieses unheilbringende Naturschauspiel in Ländern, wo die Temperaturunterschiede noch extremer auftreten. Nicht nur im Süden der Vereinigten Staaten ist der große Windhosen-Bruder Tornado gefürchtet.
Dem Seniorchef der Oldenburger Brand-Werft reichte das Inferno im Fischereihafen: "Nachdem die Windhose auf dem Parkplatz gewütet hatte, fegte der gewaltige Schlauch über die Schiffe, riß Poller und Taue ab und drückte die "Grönland" auf 60 Grad Schlagseite", schilderte er. Sekunden später pfiff die Thrombe auch über seine 17 Meter lange Jacht, ohne jedochgrößere Schäden anzurichten.
Als der Spuk vorbei war, sicherten der rüstige Skipper und sein Sohn zusammen mit den Kuhlmanns die lädierten Jachten. Wieviele kleine Boote durch die Fallwinde "schon in der Luft in Stücke gerissen worden waren" (Brand), ließ sich gestern noch nicht ganu absehen. Nur Stunden vorher, so Kuhlmann, hätte die Windhose verheerende Folgen haben können: "Da war hier ganz schön Betrieb"." - guh

Bremerhaven 1
mit freundlicher Genehmigung der Nordsee-Zeitung


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