Heidelberg 25.08.1842 von
Thomas Sävert
"Am 25sten Aug. 1842 Abends gegen 7 Uhr sah ich über einem etwa 5000 Fuß von meinem Standpuncte entfernten, ungefähr 500 Fuß über den Boden sich erhebenden Berge eine große schwarze Wolke, die nach Schätzung wohl 100 Fuß hoch über den Gipfel des Berges herbeigetrieben wurde und einer Gewitterwolke, auf jeden Fall einer Regen drohenden Wolke so auffallend glich, daß ich nichts anderes, als diesen erwartete und daher einem Begleiter rieth, sofort ins Haus zu eilen, weil ein starker Regen bevorstehe. Nach wenigen Secunden sehe ich wieder gegen die Wolke und bemerke, daß sie den Berg überschritten hatte und einen vermeintlichen starken Regen herabschüttete, so daß ich alsbald die etwa 300 Fuß entfernte Wohnung laufend zu erreichen suchte. Die feste Ueberzeugung, daß die Erscheinung nichts anderes, als ein starker Regen sey, worin ich durch den in diesem Augenblicke sich erhebenden heftigen Sturmwind noch bestärkt wurde, hinderte mich, die herangewälzte Masse genauer zu betrachten, jedoch fiel mir die starke Weiße etwas auf, so daß ich, jedoch nur vorübergehend und ohne den flüchtigen Gedanken weiter zu verfolgen, an einen Hagelschauer dachte. Ungeachtet des beschleunigten Laufens vermochte ich das Haus nicht zu erreichen, wurde vielmehr seltsam überrascht, als mir statt des erwarteten Regens ein feiner Staub in das Gesicht und die Augen flog. Hierdurch aufmerksam gemacht sah ich mich aus den Fenstern des Hauses weiter nach dem Meteore um und bermerkte, nachdem die südsüdwestliche Gegend des Himmels, woher die Wolke gekommen war, sich wieder aufgeklärt hatte, daß im Neckarthale, so weit mein Auge reichte, eine sehr dicke, schwarze, einem starken Gewitter vollkommen gleichende Wolke anscheinend in der Richtung von West nach Ost hin fortgewälzt wurde. Sie war nach deutlicher Wahrnehmung aus derjenigen gebildet, die sich über den Berg in das Thal herabgestürzt hatte, schien mir aber durch eine zweite, die von West-Nord-West herkam, verstärkt zu werden, wiewohl ich diesen letzteren Umstand nicht verbürgen kann, weil die nahen Berge die freie Aussicht beschränkten. Die ganze, eine dicke zusammenhängende Masse bildende scheinbare Gewitterwolke bewegte sich, den ganzen sichtbaren Horizont einehmend, mit nicht auffallender Geschwindigkeit das Thal entlang, wie es mir von meinem Standpuncte aus schien, nach Osten, der Himmel klärte sich bis auf mehrere zurückbleibende höhere Wolken von mittlerer Dichtigkeit wieder auf, und etwa eine Stunde später sah ich entfernte Blitze im Osten.
Das beschriebene Phänomen wurde hier (in Heidelb.) allgemein beobachtet, aber keineswegs nach seiner Größe gehörig gewürdigt, denn jeder hielt den wahrgenommenen Staub für gewöhnlich durch den heftigen Wind in seiner Nähe aufgehobenen, wonach die ganze Erscheinung zu den häufig sich ereignenden, wenn auch etwas verstärkten, gehören mußte, und hieraus erkläre ich mir das gänzliche Stillschweigen darüber. Durch angestellte Erkundigungen habe ich aber von glaubhaften Zeugen Nachrichten erhalten, wonach eben dieses Meteor gleichzeitig zu Sinsheim, etwa drei Meilen in gerader Richtung von hier, und in Miltenberg am Main, dessen Entfernung ich auf fünf Meilen schätzen will, wahrgenommen wurde. Am ersteren Orte flüchtete eine im Freien versammelte Gesellschaft vor dem vermeintlichen heftigen Gewitter in das nahe gelegene öffentliche Haus und fand nach dem ohne Regen aufhörenden Sturme alle Gegenstände mit Staub bedeckt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß ich die äußersten Grenzen der ganzen Strecke, über welche die Staubwolke ihren Inhalt ausschüttete, wirklich aufgefunden habe, allein dieses vorausgesetzt, und da von verschiedenen zwischenliegenden Orten die Sache bestätigt wird, deren einzelne Aufzählung füglich übergangen werden kann, so beträgt der Flächeninhalt mindestens zehn deutsche Quadratmeilen, und es entsteht daher billig die Frage, an welchem Orte eine solche enorme Masse ursprünglich aufgehoben und bis hierher fortgeführt worden seyn mag." (Quelle: Johann Samuel Traugott Gehler's physikalisches Wörterbuch, Band 17. 1844)



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