Bodensee am 04.07.1872 von
Thomas Sävert
"1872, den 4. Juli 7—872h a. beobachtete man auf dem oberen Bodensee fünf vollständige Wasserhosen und zwei Wolkentrichter nebeneinander. Es waren gewitterreiche Tage, Bedeckung 8—9; an jenem Morgen war der See vollständig ruhig, nur in der Höhe begann sich eine W-E-Strömung der Luft einzustellen, wie man an dem dunkeln "zipfelartig herabhängenden Gewölk" deutlich bemerken konnte. Von Heiden (800 Meter) aus zeigte sich folgende Erscheinung: "Den Anstoss gab eine wirbelnde Windbewegung in der überhängenden Wolke. Ein unten spitzer, oben breiter Wolkensack sank pfeilschnell herunter, dem dann ebenso schnell vom Seespiegel aus ein Wasserkegel entgegen schoss und so stand plötzlich auf weiss aufschäumender Basis eine tanzende Wassersäule da, welche Wolke und See vollständig miteinander verband. Anfangs stand jede Wassersäule senkrecht, bald aber wurde der obere Teil von einer westlichen Windströmung nach Osten verschoben, so dass ihre Stellung eine schiefe wurde und sie dann plötzlich in der Mitte riss. Beim Zurückfallen des Wasserstrahls wurde der Seespiegel in einem ziemlich weiten Umkreis wellenförmig und schäumend aufgeregt, was man von Heiden aus, 400 Meter über dem See, selbst mit unbewaffnetem Auge deutlich sehen konnte". Kursirende Schiffe bestätigten diese Beschreibung. Die stärkste Wasserhose kam in unmittelbare Nähe des Dampfers Bavaria, auf dem ein Ausweichen vor der "50 Fuss dicken auf- und abwogenden Säule", eventuell eine Beschiessung derselben, vorgesehen war. Die Höhe wird mit 400—500 Fuss sicher viel zu klein angegeben, indem man von Heiden aus unter "der das Phänomen bildenden Wolke über den mehr als 2 Std. breiten See noch ziemlich weit in's schwäbische Land hineinsehen" konnte (J. Göldl, für den Naturfreund in Heiden, Heiden 1876, 8° 29 S. und einem Holzschnitt nach einer von Lehrer Dänlker gezeichneten Skizze, welche etwa viermal grösser, jedoch mit identischem Text in der Leipziger "11. Ztg", Nr. 1528 im September 1872 S. 185 — 88 erschienen ist). Es dürfte diese Erscheinung wohl zu den grossartigsten Trombenformen auf Seen gehören. Das hier reproduzierte Bild (Fig. 4) mag den Sohn (Hrn. Direktor Dr. E. A. Göldl in Para) mit veranlasst haben, die nicht weniger imposante Wasserhose auf dem untern Amazonas zu zeichnen, welche in J. Hann, Lehrbuch der Meteorologie, 2. Aufl. 1906 S. 536 reproduziert ist. Die in P. La Cour und J. Appel (die Physik auf Grund ihrer gesch. Entw., autor. Übersetzung von G. Slebert 1905) Bd. II. S. 479 Frg. 375 gebotene Abbildung einer "Wasserhose auf dem Bodensee" steht ohne Zusammenhang mit dem unter "auf- und niedersteigende Luftströmungen" gebotenen Text, zudem ohne jedes Beleg und dürfte ein Phantasiegebilde sein, dessen Motiv vielleicht obiger Zeichnung entnommen ist." (Quelle: Früh, J., 1907: Wasserhosen auf Schweizer Seen. Jahresberichte der Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft in Zürich. Band: 7 (1906-1907), Seiten 105-127. Link: http://dx.doi.org/10.5169/seals-8902)

Bodensee 1
Bildquelle: Früh, J., 1907: Wasserhosen auf Schweizer Seen. Jahresberichte der Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft in Zürich. Band: 7 (1906-1907), Seiten 105-127. Link: http://dx.doi.org/10.5169/seals-8902


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