Eisenach 14./15.06.1980 von
Thomas Sävert
Erlebnisbericht von Beate Weber aus Eisenach: "Den Tornado bei Eisenach haben wir folgendermaßen erlebt: Es muß gegen 22-22.30 Uhr gewesen sein, da weckte mich mein Mann, denn ich war auf Grund der großen Schwüle an dem Tag sehr müde und hatte mich bereits hingelegt. Er sagte: "schau dir bloß mal den Himmel an, der sieht ja so gefährlich aus". Da mein Vater mir schon als Kind das Wetter erklärt hat und wir es gemeinsam beobachteten, wußte ich, dass diese gelbliche Farbe des südwestlichen Himmels nichts Gutes bringen würde und da ging das große Toben auch schon los. Wir wohnten in der Innenstadt von Eisenach in der 2. Etage einer Stadtvilla mit einem schönen großen Erker. Die seitlichen Erkerfenster waren recht schmal, vielleicht nur 40-45cm breit, aber von hier (Südwesten) kam das Unwetter. So etwas hatte ich noch nicht gesehen, diese kleine Scheibe wölbte sich total nach innen bis sie dem Druck nicht mehr Stand hielt und brach. Mein Mann stand vor der Scheibe, der dachte er könne das Bersten verhindern, wenn er mit seinem Körper und den Armen dagegen hielt, aber das war falsch gedacht. Zusammen mit der Scheibe brach etwa 40 m entfernt ein großer Straßenbaum zusammen. Ehe wir uns versahen war unser Wohnzimmerboden mit Taubenei großen Hagelkörnern fast bedeckt. Mein Mann schrie: "Hol Decken und die Werkzeugkiste mit den Nägeln". Gemeinsam bemühten wir uns das Fenster einigermaßen abzudichten, aber es war fast nicht möglich denn der Sturm riss uns die Decke ständig wieder aus den Händen. Hinter uns schrie unsere Tochter, die natürlich durch das ganze Chaos wach geworden war, dazu das Donnern und Blitzen, es war einfach fürchterlich und das mitten in der Stadt. Jetzt fingen die Hagelkörner an zu tauen, wohin mit dem ganzen Wasser? Ich zerrte sämtliche Handtücher aus dem Schrank und warf sie nur auf den Boden, damit sie das Wasser "auffangen " sollten. Beim späteren darüber laufen, stellten wir erst fest, dass sich mein Mann ziemlich verletzt hatte, denn überall waren Blutflecke. Die Scheibe hatte ihn durch Hemd und Unterhemd hindurch die Brust aufgeschnitten und er hatte sich die Füße an den Scherben verletzt. Für uns war das alles schon recht dramatisch, wenn es auch gegenüber dem, was auf dem Campingplatz passiert war, eine Lapalie war, doch davon erfuhren wir ja erst am nächsten Tag. Außer den vielen überall umgerissenen Bäumen waren auch auf einem 2-3 Fußballfelder großem Areal zwischen Eisenach und Wilhelmsthal sämtliche Bäume entweder in Mannshöhe geknickt oder herausgedreht worden.

Beate Weber, zum Zeitpunkt des Unwetters 34 Jahre alt"

Aus einer Meldung der Zeitung Neues Deutschland vom 16. Juni 1980: "Schwere Unwetter in Bezirken der DDR - Raum Erfurt besonders betroffen / Zahlreiche Helfer seit der Nacht zum Sonntag im Einsatz / Zehn Todesopfer zu beklagen / Störungen am Stromnetz vielerorts beseitigt / Verkehrswege wieder befahrbar
Berlin (ADN/ND). Nach dem bisher wärmsten Tag des Jahres, am Sonnabend, traten in der darauffolgenden Nacht sowie Sonntag morgen in weiten Teilen der Republik und in der Hauptstadt Gewitter auf. Vor allem in den Südbezirken verursachten heftige Sturme, starke Regenfalle und Blitzeinschläge Schäden in der Energieversorgung, auf Eisenbahnstrecken und Straßen.
Besonders betroffen wurde der Bezirk Erfurt, wo mehrere Tote zu beklagen sind. Auf dem Campingplatz Altenberger See/Kreis Eisenach kamen sechs Menschen auf tragische Weise ums Leben, als gegen zwei Uhr nachts ein plötzlich losbrechender Wirbelsturm in Sekundenschnelle zahlreiche Bäume umbrach und auf Zelte und Wohnwagen schleuderte. Dabei erlitten elf weitere Personen Verletzungen. Sie wurden sofort in ärztliche Obhut genommen.
Heruntergerissene Freileitungen forderten in Kölleda und Ebeleben im Bezirk Erfurt und in Schmalkalden im Bezirk Suhl drei weitere Opfer.
Auf einem Gartengelände im Kreis Delitzsch/Bezirk Leipzig wurde ein Mann durch Blitzschlag getötet.
Den Hinterbliebenen wurde seitens der örtlichen Staatsorgane jede erforderliche Unterstützung zuteil.
Die örtlichen Katastrophenkommissionen leiteten noch in der Nacht alle notwendigen Maßnahmen ein, um die betroffenen Bürger zu versorgen und die Störungen in der Energieversorgung und im Verkehrswesen zu beseitigen.
Bildunterschrift: Ein Wirbelsturm schleuderte in der Nacht zum Sonntag auf dem Campingplatz Altenberger See, Kreis Eisenach, Bäume auf Zelte und Wohnwagen Telefoto: ZB/Ludwig
Im Bezirk Erfurt, in den westlichen Kreisen des Bezirkes Magdeburg sowie in den Bezirken Suhl und Leipzig war in vielen Ortschaften durch beschädigte Energiefreileitungen oder Blitzschläge die Stromversorgung unterbrochen. Dank dem Einsatz der Werktätigen der Energiewirtschaft und zahlreicher Helfer konnten die Störungen im Verlauf des Sonntags größtenteils behoben werden. Die betroffenen Betriebe konnten die Produktion wieder aufnehmen.
Im Bezirk Potsdam wurden 12 Mittelspannungsleitungen vom Blitz getroffen. Dadurch kam es in 20 Orten zu totalen beziehungsweise teilweisen Stromausfällen. Dank dem Einsatz aller verfügbaren Kräfte konnten die Schäden zum großen Teil bereits am Sonntagabend behoben werden.
Im Reichsbahndirektionsbezirk Erfurt waren in den Nacht- und Morgenstunden Abschnitte von sechs Eisenbahnstrecken wegen Gleisunterspülungen, Fahrleitungsstörungen und durch querliegende Bäume blockiert. Sie sind inzwischen alle wieder befahrbar. Bereits in der Nacht zum Sonntag hatten viele Kräfte der Feuerwehr, der Zivilverteidigung, der Volkspolizei, der Bezirksdirektion Straßenwesen, der Bahnmeistereien, freiwillige Feuerwehren und ehrenamtliche Helfer begonnen, die Schäden zu beseitigen.
Im Bezirk Magdeburg waren neun Strecken abschnittsweise nicht befahrbar, darunter die Verbindungen Oebisfelde—Magdeburg und Marienborn—Magdeburg. Eisenbahner und Einsatzkräfte aus den Territorien sorgten dafür, daß — bis auf die Harzquerbahn — alle Strecken bis zum Sonntagvormittag wieder befahrbar waren.
Umgestürzte Bäume, abgedeckte Dächer, zerstörte Hochspannungsleitungen sowie Schäden in der Landwirtschaft waren die Folgen des Gewittersturmes im Harz, in den westlichen Gebieten der Magdeburger Börde und der Altmark. Es wurden sofort Maßnahmen eingeleitet, um die Schäden zu beseitigen.
Wegen umgestürzter Bäume, Überflutungen und Schlamm mußten Straßenabschnitte vorübergehend gesperrt werden, darunter die Autobahn bei Eisenach von Kilometer 270 bis 294.
Im Laufe des Sonntagvormattags überquerte die Gewitterfront in wesentlich abgeschwächter Form die ostlichen Gebiete der Republik. In Berlin, aber auch in vielen anderen Orten der Republik bis zur Insel Rügen regnete es teilweise bis in die frühen Nachmttagsstunden. Nach Auskunft des Meteorologischen Dienstes der DDR ist zum Wochenbeginn wieder sommerlich-freundliches Wetter mit Temperaturen über 20 Grad zu erwarten. Die Temperaturunterschdiede zwischen dem Sonnabend und dem Sonntag betrugen rund zehn Grad.
Die im Vergleich zu anderen Gebieten der Republik weniger starken Wetterunbilden in der Hauptstadt hatten nur geringe Auswirkungen. Fünfmal mußte die Berliner Feuerwehr ausrücken. In eine Freileitung der Straßenbahn in Weißensee und in einen Schaltkasten für Weichen in Marzahn war der Blitz eingeschlagen, ohne jedoch größere Schäden zu verursachen. Es kam zu keinen wesentlichen Einschränkungen im Fahrzeugverkehr." (Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin) - Eine nahezu identische Meldung erschien am selben Tag in der Berliner Zeitung.

Aus einer Meldung der Zeitung Neues Deutschland vom 18. Juni 1980: "Den Unwetterschäden wird zielstrebig zu Leibe gerückt - F81 einspurig befahrbar / Harzquerbahn rollt wieder.
Tausende Bürger des Bezirkes Erfurt waren seit Sonntag im Einsatz, um die umfangreichen Unwetterschäden an Gebäuden, in der Land- und Forstwirtschaft sowie die Störungen in der Stromversorgung zu beseitigen. Durch Anstrengungen der Kräfte der Zivilverteidigung, des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Nordhausen und zahlreicher freiwilliger Helfer konnte die F 81 von Nordhausen nach Magdeburg einspurig für den Straßenverkehr freigegeben werden. Über 400 Kräfte sind noch im Einsatz, um die Fahrbahn wieder voll befahrbar zu machen.
Auch die Harzquerbahn nahm am Dienstagmorgen den sollen Personen- und Güterverkehr wieder auf. Im Kreis Eisenach sind alle Straßen wieder befahrbar. Zwei der auf dem Zeltplatz Altenberger See verletzten Bürger konnten inzwischen aus der stationären Behandlung in Eisenacher Krankenhäusern entlassen werden.
Trotz großer Bemühungen der Mitarbeiter der Energieversorgung sind im Bezirk Erfurt noch nahezu 2200 Hauhalte vor allem im Kreis Nordhausen ohne Strom. Durch Umschaltungen im Energieversorgungsnetz konnte eine vom Wirbelsturm unterbrochene 110 kV-Hochspannungsleitung zwischen Mühlhausen und Bad Langensalza, die die Stromversorgung der Kreise Mühlhausen, Eisenach und Bad Langensalza sichert, überbrückt werden."
Weiter vom 18.06.1980 über die Entstehung von Windhosen:"[...]Verheerende Auswirkungen treten auf, betonte Dr. Peters, wenn die in die Gewitterwolke einströmenden Luftmassen eine rotierende Komponente erhalten. Solche Erscheinungen werden als Windhosen, Tromben oder auch als Tornados bezeichnet. Nach dem Schadbild zu urteilen, sind viele der in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag eingetretenen Schäden durch solche Windhosen verursacht worden. Eine Vorhersage dieser kleinräumigen meteorologischen Erscheinungen ist nicht möglich.[...]" (Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin)



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