Borghorst 06.06.1998 von
Thomas Sävert
Zeitpunkt: gegen 19:30 Uhr MESZ. Erhebliche Schäden durch einen mutmaßlichen Tornado, dazu der Bericht einer Augenzeugin aus dem Juni 2014: "Möglicherweise gab es eine Windhose am 6.6.1998 hier bei uns in 48565 Steinfurt-Borghorst in Wilmsberg um ca. 19.30 Uhr. Die Uhrzeit weiß ich nicht mehr so genau, da müsste ich nochmal bei Nachbarn und Bekannten fragen. Wir haben an diesem Abend den Geburtstag meines Mannes gefeiert! Wir hatten eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Z.B. hatte ich Mittags gewischt und abends war noch immer alles feucht. Außerdem bekamen wir den Grill wegen der Luftfeuchtigkeit nicht an.
Von weiten sah und hörte man ein Gewitter nahen und plötzlich ging alles ganz schnell. Innerhalb von Sekunden flogen uns die Gläser vom Tisch und ein Baum, der direkt bei uns stand, wurde umgeworfen. Es wurde furchtbar laut und der Strom war sofort weg. Wir flüchteten in die angrenzende Halle. Dort wurden die Sichtplatten auf dem Dach durchgerissen und flogen dann weg. Ein Stück davon haben wir zufällig ein paar Kilometer entfernt wiedergefunden. Ich weiss nicht mehr genau wie lange das gedauert hat. Eigentlich ging alles ganz schnell, aber wenn man da drin steckt, kommt einem das ewig vor.
Soweit ich weiß, hat hier keiner die eigentliche Windhose gesehen, aber man konnte tatsächlich eine Schneise erkennen, durch die dieser Wind gefegt ist. Besonders auf der Laerstraße schien es, als wäre nur eine Seite betroffen gewesen. Wir sind auch erst ein, zwei Tage später darauf gekommen, das es eine Windhose gewesen sein könnte, weil mein Schwager einen Anruf von einem "Tornadojäger" bekommen hatte und der ihn nach der ganzen Sache gefragt hatte, z. B. wie die Wolken ausgesehen haben. (Die waren übrigens total gelb).
Am nächsten Tag habe ich einige Fotos von den Schäden hier gemacht. Eine komplette Pappelallee war umgestürzt. Jede Menge Löcher in den Dächern. Bei zwei Nachbarn war fast das gesamte Dach abgedeckt. Bei einem Nachbarn waren 2/3 des Hauses eingestürzt. Zufällig hatte ich von dem Haus 4 Tage vorher noch ein Foto gemacht. Einige Schäden kann man bis heute sehen. Z.B. waren hier in einer Wiese Bäume umgeweht worden und diese wurden einfach so liegen gelassen. Die waren auch nicht nur in eine Richtung gekippt eher wie eine ausgekippte Packung Streichhölzer. Glücklicher Weise wurde niemand ernsthaft verletzt, auch in dem eingestürzten Haus ist keiner körperlich verletzt worden."

Borghorst 1
4 Tage vor dem mutmaßlichen Tornado entstand dieses Foto:
Borghorst 1a
Borghorst 2
Borghorst 3
Borghorst 4
© by Silke Stöppler
Borghorst 5
Borghorst 6
Borghorst 7
Borghorst 8
© by Stöppler
Aus einer Meldung der Steinfurter Nachrichten vom 08.06.1998: "Wirbelsturm schlägt eine Schneise der Verwüstung - Borghorst. Daß es "knüppeldick" kommen würde, hatte Michael Eschmann angesichts des pechschwarzen Himmels geahnt. Doch was der Wilmsberger Landwirt und seine Familie kurz nach 21 Uhr erlebten, sprengte die Vorstellungskraft. Der Wirbelsturm, der am Samstag abend eine Schneise der Verwüstung durch Wilmsberg schlug, machte aus Teilen des sanierten Hofgebäudes mit brachialer Gewalt eine Ruine. Das Dach wurde samt Dachstuhl hochgerissen, der Giebel an der Tennenseite eingedrückt. Bis auf die Grundmauern und den hinteren Wohntrakt brach das 1866 erbaute Bauernhaus zusammen. Stadtbrandmeister Bernhard Pohl, dessen Wehr in der Nacht zu 60 Einsätzen gerufen wurde, konnte das Geschehen kaum in Worte fassen: "So etwas ist noch nie dagewesen." Für alle grenzt es an ein Wunder, daß Menschen nicht verletzt wurden. Die gesamte Schadenshöhe ist noch völlig unklar.

Es war kurze nach 21 Uhr, als im Wohnhaus und im Schweinestall der Strom ausfiel. Michael Eschmann dachte sofort an die empfindlichen Tiere und rannte zum Notstromaggregat. Da hatte die Sturmwalze, die von Laer kommend den Süden von Borghorst überrollte, den Hof erreicht. Ein ohrenbetäubender Knall, die Tennentür riß auf, ein Zittern, Pfannen und Steine rasten in die Tiefe. Gaby Eschmann gelang es noch, die beiden Kinder Jonas und Luka, die oben schließen, ins Erdgeschoß zu holen. In der gegenüberliegenden Werkstatt suchte die Familie Schutz, während der Tennentrakt des Wohngebäudes hinter ihnen einstürzte, Fahrzeuge und Geräte unter sich begrub. [...] In einem Raum zeigte er auf eine Flügeltür. Die Druckwelle hatte sie aus dem Rahmen gerissen.

Hunderte Meter weiter in der Alaunstraße sahen am Samstag abend Alfons und Brigitte Kock, wie sich der Himmel über Wilmsberg zusammenbraute. Blitze zuckten, Donner grollte. "Da fliegt unsere Gießkanne", meinte Brigitte Kock noch lakonisch beim Blick aus dem Fenster. Dann aber flogen auch die Gartenstühle. Und ein schweres Gartenhaus, das gestern mit zwölf Mann wieder aufgestellt werden mußte, rollte auf die Seite. Schieferplatten prasselten wie Geschosse gegen das Haus. Dann griff der Wirbelsturm das dach des Einfamilienhauses am Ortsrand, riß - wie ein Nachbar beobachtete - das Veluxfenster regelrecht raus und klappte binnen Sekunden das gesamte Dach auf. Alfons Kock: "Als plötzlich im haus der Putz rieselte, haben wir nur noch unsere Tochter oben aus dem Schlafzimmer geholt. Da lag das Dach schon unten."

Schrecken überall. Wie Streichhölzer knickten im Sturm die Bäume. Dicke alte Kastanien wurden regelrecht am Stamm abgerissen. Stromleitungen wurden beschädigt. Dächer hoben sich und sackten zusammen. Pfannen prasselten auf Straßen und Fahrzeuge. Steine, Abdeckungen, Gartenmöbel, Spielgeräte, Zäune - alles, was nicht fest war, geriet in den Sog des Sturms. "Wenn die Bäume nicht gewesen wären, hätte es wahrscheinlich das Haus erwischt", besah sich Berni Stegemann am Wilmsberger Hof den Schaden. Hier hatte der Sturm eine komplette Baumreihe samt Wurzeln umgelegt. Am Sandweg verschwand die alte Schule hinter einer Wand umgerissener und umgeknickter Bäume. Hinterm Haus war eine Birke auf ein Nebengebäude gestürzt.

Schweren Schaden mußte auch die Holzhandlung Gönner hinnehmen, wo der Wind fast die gesamte Dachabdeckung der Halle davontrug. Stadtbrandmeister Bernhard Pohl: "Wir wußten nicht mehr, wo wir zuerst hinfahren sollten. Von überall her kamen die Notrufe."

350 registrierte alleine die Leitstelle der Polizei zwischen 18:30 und 6 Uhr in der Früh. 151 Einsätze wurden wahrgenommen. Bei der Feuerwehrleitstelle in Rheine sah man sich gestern mittag noch nicht in der Lage, eine genaue Zahl der Notrufe zu nennen. "Es war einfach schlimm", so der Kommentar.

Die Nacht über und gestern wurden Schäden beseitigt. Die VEW war mit über 30 Mitarbeitern im Einsatz, um Provisorien zu schaffen. An vielen Stellen war der Strom ausgefallen. Vor allem Wilmsberg, Ostendorf, Dumte und Hollich waren betroffen. Bei starkem Regen ging es auch darum, die teilweise großflächig freigelegten Häuser wieder abzudichten. Die Dachdeckerfirmen hatten ihr komplettes Personal aus dem Wochenende geholt. In fast allen Fällen funktionierte aber auch Nachbarschaftshilfe."



zur Tornadoliste von Thomas Sävert

zur Homepage von Thomas Sävert